Projektbeschreibung 'Books on Screen - Zur Digitalisierung des Lesens'

Bücher werden von einem eReader beleuchtet

Foto: A. Schwabe

Die Digitalisierung des Lesens nimmt mit der zunehmenden Verbreitung digitaler Lesegeräte (Tablets, Smartphones oder E-Reader) und der Verfügbarkeit digitaler Texte zu, sodass das Lesen von Büchern auf dem Bildschirm zu einem dauerhaften Phänomen werden könnte. Auch wenn sich die Zuwachsraten des E-Book-Verkaufs eingebremst haben, so wurden im Jahr 2018 laut Börsenverein des Deutschen Buchhandels in Deutschland immerhin über 32 Millionen digitale Bücher, exklusive Fach- und Schulbücher, verkauft. Im gesellschaftlichen Alltag wie in universitären Lehrveranstaltungen sind zunehmend Leser*innen mit E-Readern oder I-Pads wahrzunehmen. Auch in der Bildungspolitik wird diskutiert, ob nicht der Einsatz von E-Books das gedruckte Buch in den Schulen ablösen sollte. In öffentlichen Debatten wird das Lesen auf dem Bildschirm immer wieder als Bedrohung für die Lesekultur diskutiert, den konkreten Folgen der Digitalisierung literarischer Texte für den Leseprozess wurde aber bislang noch zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Nach zentralen Thesen kulturwissenschaftlicher ebenso wie kommunikations­wissenschaftlicher Theoriebildung gehen unterschiedliche Lesemedien mit einem unterschiedlichen Leseverhalten und unterschiedlichen Leseerfahrungen einher. Régis Debray formuliert pointiert: „Die Historiker des Geschriebenen wissen […], dass die Geschichte der Zeichen mit der Geschichte der Materialien beginnt. […] Es gibt keine unschuldigen Träger, jedes Material fordert seinen Preis.“[1]

 

Dieses Forschungsprojekt möchte nun der Frage nachgehen, wie sich die literarische Erfahrung verändert, wenn Texte nicht mehr in Form gedruckter Bücher, sondern auf einem Bildschirm gelesen werden. Konkret geht es dabei um Texte der erzählenden Literatur unterschiedlicher Komplexitätsgrade. Damit trägt es mit einer spezifischen Perspektive zu der sich gegenwärtig gerade stark intensivierenden internationalen Leseforschung (siehe etwa die E-READ-Initiative) bei. Wir gehen dabei davon aus, dass sich ein so vielschichtiges Phänomen wie das literarische Lesen nur mit einem transdisziplinären Forschungsansatz hinreichend untersuchen lässt. Aus diesem Grund werden in unserem Projekt literaturwissenschaftliche mit kommunikationswissenschaftlichen und psychologischen Kompetenzen vereint. In einer Reihe empirischer Experimente wird auf der Basis von Literatur-, Lese- und Kommunikationstheorie untersucht werden, wie sich unterschiedliche Lesemedien – gedrucktes Buch, E-Reader und Tablet – auf zentrale Dimensionen der literarischen Erfahrung wie (1) Narrative Kohärenz, (2) Imagination, (3) Immersion, (4) Empathie und (5) analytisches Lesen auswirken. Des Weiteren gilt es zu bestimmen, ob Unterschiede in der literarischen Erfahrung zwischen digitaler und gedruckter Form durch die spezifische Komplexität des literarischen Textes (bzgl. Chronologie, Modus, diegetische Ebenen) beeinflusst werden. Die Ergebnisse werden anhand von Fokusgruppen interpretiert und weiter vertieft. Damit sollen wichtige Erkenntnisse für die beteiligten Wissenschaften, aber vor allem auch für die gesellschaftlichen Institutionen, die die Lesekultur tragen, erbracht werden, d.h. für Schule, Universität, Buchhandel, Verlage und das Bibliothekswesen.


[1] Debray, Régis: Einführung in die Mediologie. Bern, Stuttgart, Wien: Haupt 2003, S. 54f.